Salomo Audio Recordings: Optimale Nutzung der Tonaufnahmen gutachterlicher Untersuchungsgespräche

Einleitung

Seit Januar 2022 sind Tonaufnahmen der gutachterlichen Untersuchungsgespräche in der Schweiz vorgeschrieben (Art. 44 Abs. 6 ATSG). Diese Massnahme soll ein korrektes Verfahren sicherstellen, zur Qualitätssicherung beitragen, Transparenz schaffen und Rechtsstreitigkeiten verhindern. Der Nutzen von Tonaufnahmen ist jedoch nochmals deutlich höher, wenn diese verschriftlicht in die gutachterliche Beurteilung einfliessen. Aus diesen Gründen werden am Universitätsspital Zürich (USZ) seit 2018 standardmässig Tonaufnahmen versicherungspsychiatrischer Begutachtungen gemacht. Seit 2019 erstellen wir bei Salomo zusätzlich auch Videoaufnahmen. Der Beitrag soll aufzeigen, welche Vorteile und welche potenziellen Nachteile die Durchführung und Verwendung von Tonaufnahmen in versicherungsmedizinischen Begutachtungen hat.

Vorteile von Tonaufnahmen

Tonaufnahmen liefern objektive Daten bei rechtlichen Auseinandersetzungen. Reklamationen der Versicherten, welche den Inhalt der Aussage betreffend, können dadurch überprüft werden. Tonaufnahmen können auch den Gutachter schützen, da diese Bedrohungen und Druckversuchen seitens der Versicherten vorbeugen können. 

Nochmals deutlich mehr Vorteile haben Tonaufnahmen, wenn diese verschriftlicht werden und in das Gutachten einfliessen:

  • Aussagen der Versicherten werden vollständig und fehlerfrei im Gutachten wiedergegeben 
  • Die verbale Ausdrucksweise der Versicherten wird im Gutachten besser abgebildet
  • Der Gutachter kann auf Handnotizen verzichten und sich auf die Beziehungsgestaltung, die Fragen und Verhaltensbeobachtungen konzentrieren
  • Der Zeitbedarf für die Übertragung von Handnotizen nach der Untersuchung entfällt 

Nachteile von Tonaufnahmen

Es gibt jedoch auch potenzielle Nachteile bei der Durchführung von Tonaufnahmen. So gibt es Bedenken, dass das Wissen um eine Tonaufnahme einen Einfluss auf die Versicherten hat und zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen kann. Zumindest in Bezug auf die Wirksamkeit einer psychotherapeutischen Behandlung scheinen Ton- oder Videoaufnahmen gemäss heutiger Forschungslage jedoch keinen Effekt zu haben [1]. Unsere persönliche Erfahrung ist, dass diese von Versicherten in der Regel gut akzeptiert und toleriert werden. Gerechtfertigt scheint auch die Frage, ob andere praxisübliche Dokumentationstechniken, wie das Diktieren oder Eintippen während einer Untersuchung, nicht einen stärkeren negativen Effekt auf die Versicherten haben als eine im Hintergrund mitlaufende Tonaufnahme.

Herausforderungen bei der Verschriftlichung von Tonaufnahmen

Bei der Verschriftlichung von Tonaufnahmen gibt es einige Herausforderungen. So muss ein Kompromiss zwischen Detailgenauigkeit und Lesbarkeit gefunden werden. Ein Transkript, das sowohl die Aussagen des Gutachters als auch die des Versicherten wortwörtlich wiedergibt, stellt nicht nur eine erhebliche formale Abweichung von der derzeit üblichen Praxis dar, sondern reduziert auch den Lesefluss. Das gleiche gilt für eine wortgetreue Wiedergabe bei Versicherten mit nur eingeschränkten Deutschkenntnissen oder einem in Dialekt geführten Interview. Gemäss unserer bisherigen Erfahrung eignet sich am besten eine inhaltlich-semantische Transkription [2]. Diese beschränkt sich auf die Wiedergabe der Aussagen der Versicherten und formuliert diese in inhaltlich korrekte standarddeutsche Sätze um.

Der Aufwand für eine manuelle Verschriftlichung einer Tonaufnahme durch geschulte Fachkräfte beträgt ein Mehrfaches der Dauer des Interviews. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitsaufwand zwar vom Gutachter auf Hilfskräfte verlagert werden kann, die effektiven Kosten jedoch höher sind als bei einer Dokumentation durch den Gutachter selbst. Dies wiederum vermindert die Akzeptanz bei Gutachtern und Gutachterinstituten trotz der dadurch erhöhten Qualität der Gutachten.

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend überwiegen die Vorteile von Tonaufnahmen und deren Verschriftlichung klar. Dies widerspiegelt sich auch in strafrechtlichen Einvernahmen, bei denen wörtliche Protokolle und teilweise auch Videoaufnahmen vorgeschrieben sind (Art. 78 StPO). Auch die American Academy of Psychiatry and the Law empfiehlt die Verwendung von Audio- und Videoaufnahmen sowie deren Verschriftlichung (Zonana et al., 2013). Angesichts der hohen Relevanz gutachterlicher Untersuchungen für die Betroffenen, ist eine solche Änderung der Begutachtungspraxis auch in der Versicherungsmedizin überfällig. Dank neuer Technologien zur Spracherkennung und Sprachverarbeitung, wie sie Salomo Audio Recordings zunehmend einsetzt, dürften schon bald auch die noch bestehenden wirtschaftlichen Barrieren überwunden sein.

Literatur
[1] J. M. Town, M. J. Diener, A. Abbass, F. Leichsenring, E. Driessen, und S. Rabung, «A meta-analysis of psychodynamic psychotherapy outcomes: evaluating the effects of research-specific procedures», Psychotherapy (Chic), Bd. 49, Nr. 3, S. 276–290, Sep. 2012, doi: 10.1037/a0029564.
[2] T. Dresing und T. Pehl, Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende, 8. Aufl. Marburg: Eigenverlag, 2018.

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